Abrus precatorius Linn.


syn: Glycine abrus L., Abrus abrus (L.) W. Wight

Welke Schote

Welke Schote

Familie: Fabaceae (Leguminosae)

Verbreitung: Urspung ist Ostindien. Wächst heute überall in Indien und den tropischen Gebieten der Welt.

Deutsch: Paternostererbse, Abrusbohne

Französisch: Liane à réglisse, réglisse d’Amerique

Englisch: Jequirity, Crab’s Eyes, Goonteh, Gunga, Indian Liquorice, Prayer Beads, Rati, Wild Liquorice

Dänisch: Paternoster-Ärter

Polnisch: Modligroszek

Russisch: Molitwiennyje boby

Ungarisch: Soterek obecny

Karnataka: Ganji, Gul-Ganju, Guluganji, Madhuka, Gurugunji

Hindu: Gunji, Ratti, Rakti, Ratei, Guncacī

Malayalam: Kunni, Kunnikuru, Kuntrimani

Sanskrit: Gunja,  Uccata,  Pitataila,  Kakatikta,  Sitapaki

Gujarati: Chanothi, Gunja

Marathi: Chanoti, Gunchi, Gunja

Bengali: Chunhali, Kunch

Oriya: Kaincha

Assam: Liluwani, Raturmani

Santal: Kawa

Punjab: Labrigunchi, Ratak

Tamil: Kuntumani

Telgulu: Guruginja, Guruvenda

Ayurveda:

Rasa (Geschmack): Bitter, zusammenziehend,

Guna (Eigenschaft): Schwer, ätzend, trocken,

Virya (Kraft, Wirkung): Erhitzend,

Dosha: Harmonisiert Wind (Vata)

Etymologie, Historie: Abrus kommt vom griechischen αβρος (abros) = zart, zierlich; precatorius ist vom lateinischen precari = beten abgeleitet. Die Anwendung der Samen, das heißt das In-der-Hand-halten als Rosenkranzperlen hat eine heilerische Grundlage.

In weiten Teilen Indiens werden sie als „Rati“ bezeichnet und zum Abwiegen von Gold verwendet, da das Gewicht eines Samens etwa einem Karat entspricht (daher der Name). 96 rattis entsprachen 1877 dem Gewicht einer Rupie. Das Gewicht des Koh-i-noor-Diamanten wurde mit Hilfe derartiger Samen ermittelt. Verblüffend genau ergeben 10 Samen das Gewicht von exakt einem Gramm.

Arbus-precatorius

Verwendung finden die Samen, Blätter und Wurzeln.

Eigenschaften:

Wurzeln und Blätter sind zusammenziehend, verdauungsregulierend,  abwehrstärkend, vergiftungshemmend und süß. Sie vermindern Wind (Vata).

Die Samen sind sauer, bitter, zusammenziehend, abführend, giftig, austreibend, aphrodisierend und den Haarwuchs fördernd. Sie vermindern Galle (Pitta) und Wind (Vata)

Anwendungen:

In Indien findet der Jequirity-Same als Aphrodisiakum Verwendung und eine daraus hergestellte Paste wird zum Töten von Vieh benützt. Die englische Medizin lässt eine Paste aus dem pulverisierten Samen bei Lupus, bei tuberkulösen und syphilitischen Ulzerationen applizieren. Zu therapeutischen Zwecken viel benützt wurde die auffallende Eigenschaft der Jequiritysamen, beim Einbringen ins Auge eitrige und kruppöse Konjunktivitis hervorzurufen, durch welche die alten Granulationen bei Trachom und Hornhautflecken zerstört werden; auch Epitheliome der Lider sollen günstig beeinflußt werden. Bei einer solchen Behandlung ist selbstverständlich größte Vorsicht nötig, weil nicht selten heftige Nebenwirkungen, wie Diphtherie der Konjunktiva, Hornhauttrübungen, ja sogar Verlust beider Augen infolge Phthisis bulbi, ferner Dacriocystitis, Periostitis der Nasen- und Tränenbeine, Symblepharon, Exophthalmus, akuter Glaukomanfall, Lidabszeß oder Hypertrophie der oberen Lider, Erythema faciei und Erysipel beobachtet wurden. Die als “Jequirity-Ophthalmie” bezeichnete Konjunktivitis ist eine sekundäre Entzündung und beruht auf einer durch das in Abrus prec. enthaltene Toxalbumin Abrin verursachten Gerinnung in den Gefäßen der Bindehaut. Diese die roten Blutkörperchen agglutinierende Wirkung (Thrombenbildung) ist die hervorstechendste Eigenschaft des Abrins, das außerdem an der Applikationsstelle Indurationen hervorruft und spezifisch auf den Haarboden wirkt, wobei es Haarausfall erzeugt. Wird dagegen Abrin längere Zeit in kleinen Dosen parenteral verabreicht, dann ist es imstande, im Blut eine die Gerinnung hemmende Substanz mit immunisierender Wirkung zu bilden, das Antiabrin. Ehrlich gelang es, Versuchstieren, die einige Wochen systematisch mit Abrin gefüttert worden waren, einen dicken Abrinbrei in den Konjunktivalsack einzustreichen, ohne daß sich eine Reaktion zeigte. Es wurde eine Immunität gegen die 400fache tödliche Dosis erzielt. Die experimentelle, angeblich streng spezifische-Abrin-Immunität der Mäuse wird durch die Milch auch auf die Jungen übertragen. Die auch emetisch, anthelmintisch und diaphoretisch wirkenden Abrussamen enthalten außer Abrin u. a. ein tetanisierendes kristallinisches Glykosid, die giftigen Eiweißkörper Globulin und Albumose, fettspaltendes Enzym, Abrin und Abrussäure sowie Hämagglutinin.

Bei der innerlichen versuchsweisen Darreichung der Samen-Verreibungen vertrugen nach meiner Beobachtung 6 Prüflinge die l%ige Verreibung (3 Tabletten zu 0,25 g) ohne jede Beschwerden. Beim Einnehmen der 10%igen Verreibung in Dosen bis zu 1 g zeigten sich bei 3 von 6 Prüflingen je einmal Brennen im Halse, einmal Übelkeit und einmal pelzige Zunge.

Harmlos scheinen die Blätter und Blattstielchen zu sein. Nach Kloppenburg-Versteegh läßt man solche Blätter mit den Stielchen in Indien bei innerlichem Fieber essen. Als Teeaufguß werden bis 2 Unzen (60 g) auf 1/2-1 Liter Wasser zur Hälfte eingekocht mit Zucker als tägliches Getränk bei unregelmäßigem Stuhlgang und Hämorrhoidalleiden gegeben. Man wendet solche Aufgüsse auch bei Mundfäule, gastrischem Fieber, bei Husten der Kinder vor dem Schlafengehen und bei trockenem Husten als schleimlösendes Mittel an.

Die Blätter enthalten neben Abrin: Glycyrrhizin, das sich auch in der Wurzel, der sogen. “Indischen Liquiritia” findet.

Aus Köhlers Arzneipflanzen 1882

Aus Köhlers Arzneipflanzen 1882

Anwendung:

Die Anwendung von Abrus precatorius hat sich bei Trachom, sowohl bei vernarbten Fällen mit Pannus, als auch in frischen Fällen bewährt.

Römer führt eine Zubereitung, genannt “Jequiritol”, in die Praxis ein.

In Deutschland ist das Mittel gelegentlich auch bei diphtherischen Augenerkrankungen äußerlich angewendet worden.

Da die Wirkung auf einem hitzeempfindlichen Toxin beruht, dürfen nur kalte Zubereitungen gebraucht werden.

Zur Herstellung der in der Augenheilkunde gebräuchlichen Arzneimittel werden von jeher die Samen verwendet.

Der Saft aus den gepressten Blättern, sowie das Kauen der frischen Blätter hat eine aufweichende, lösende, fettende Wirkung, die bei Halsschmerzen, trockenem Husten und heißem Urin von Nutzen ist. Zudem gilt der Saft als Blut reinigend.

Äußerlich wirken die Blätter als Schmerz lindernd bei Ergüssen und Rheumatismus. Dabei werden sie zerrieben und mit Öl, warmem Senföl oder Honig vermengt aufgebracht. Man kann die Blätter auch erwärmen und mit etwas Rizinusöl vermengen. Die Paste wird dann auf die geschwollenen Bereiche oder die Wurzel des Schmerzes aufgebracht um die Schwellung zu verringern und den Schmerz zu lindern.

Bei Leucoderma Weißfleckenkrankheit reibt man die Flecken täglich und über mehrere Wochen mit frischem Pflanzensaft ein. Mancherorts wird zudem Wurzelsaft von Plumbago roscea (Chitraka) beigefügt. Der Brei von den Blättern wird auch zum Entfernen von Sommersprossen verwendet.

In Kambodscha verwendet man den Brei aus der Wurzel als Mittel gegen Durchfall.

Durch Kochen verlieren die Samen ihre medizinische Wirkung und so werden gekochte Samen mancherorts als Viehfutter verwendet.

Kocht man das Pulver aus den Samen mit Milch, entsteht ein wirksames Stärkungsmittel mit aphrodisierender Eigenschaft, die sich auf das Nervensystem auswirkt.  Dafür verwendet man 0,06 bis 0,2 Gramm des Pulvers.

Als Wurmmittel verwendet man geschälte Samen mit Kandiszucker.

Das Pulver aus den Samen verwendet man zusammen mit Wasser als Einreibung bei steifen Schultern, Lähmungen und anderen Nervenerkrankungen, aber auch bei Entzündungen, Hautkrankheiten und schlecht heilenden Wunden.

Nach einem Schlaganfall wird die Paste auf die nackte Kopfhaut gerieben um das Haarwachstum anzuregen.

Ein Brei aus den Samen mit etwas Wasser und Salz wird auf Furunkel aufgebracht um diese aufzuweichen.

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Bei schweren Kopfschmerzen wird das kalte Pulver aus den Samen als Niesmittel verwendet.

Zur Zubereitung von Mitteln in der Augenheilkunde werden geschälte Samen verwendet. Die wässrige Lösung soll 3% des Mittels enthalten.

Als Gegenmittel bei einem Schlangenbiss, besonders beim Biss einer Schwarzen Kobra verabreicht man in Abständen von 15 Minuten 1,8 bis 10 Gramm der zerriebenen Blätter oral als Brechmittel.

Rezepte:

Bei Conjunctivitis trachomatica (nach Marfori-Bachem):

Rp.: Sem. Abri (Jequirity) pulv. 1,0
digere cum aqua (ad 50° C!) 50,0
Nach dem Erkalten wird filtriert.

D.s.: Tropfenweise in die Conjunctiva einträufeln.

Materia medica of the Hindi:

Gunja bhadra rasa: Man nehme sechs Teile Gunja-Samen, drei Teile Quecksilber, twölf Teile Schwefel, einen Teil Cannabis sativa Blätter und einen Teil Samen von Croton tiglium. Stele daraus eine Verreibung her und lasse den Brei je einen Tag lang in den folgenden Flüssigkeiten ziehen: Zitronensaft, Saft aus Cannabis-Blättern, Saft aus Datura alba- und Solanum nigrum-Blättern. Diese Medizin verabreiche man mit einer Dosis von etwa acht grain (0,376 Gramm) mit Steinsalz und Asa foetida bei Querschnittslähmung.

Gunjadya tailam:  Man nehme 4 Seer (933 Gramm) Sesamöl, 16 Seer Saft der Blätter von Wedelia calendulacea, ein Seer gemahlene  Gunja-Samen und kocht alles nach Vorschrift. Dieses Öl wird lokal aufgetragen bei Grind, juckendem Ausschlag und anderen Hauterkrankungen.

Arbus-precatorius

Unani Medizin:

Das Dekokt der Wurzeln wurde in der Volksmedizin Indiens bei Durchfall, Fieber, rauhem Hals, Bronchitis und Hepatitis verwendet.

Zusammen mit Limonen wird die ganze Pflanze bei Husten und Erkrankungen des Brustbereiches verwendet.

Aberglaube: Wurzelteile der Paternostererbse, etwas schwarzer Pfeffer und getrockneter Ingwer werden zerrieben und oral verabreicht, um von bösen Geistern oder schwarzer Magie zu befreien.

Bibliographie:
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